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Artikel vom 02. April 2011

Novellierung des Sächsischen Hochschulgesetzes

Einige Gedanken Im sächsischen Landtag wird fleißig an der Novellierung des SächsHG (Sächsisches Hochschulgesetz) gearbeitet. Diese soll in zwei Schritten vollzogen werden. Zum einen in einer kleinen Novelle (Drucksache 4/2500) und zum anderen einer grossen Novelle, über die sich aber noch ausgeschwiegen wird. In der kleinen Novelle sollen folgende Dinge neu geregelt werden. Erstens - und dies wird auch der Hauptpunkt dieser Novelle sein - geht es um die Umsetzung des Bolognaprozesses in Sachsen, insbesondere die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen. Zweitens um die Auswirkungen der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz auf Sachsen und drittens um die Genehmigung neuer Studiengänge durch die Rektorate statt wie bisher durch das SMWK (Sächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst). Auf den ersten Blick, das möchte ich aus meiner Warte sagen, klingt dies alles recht vernünftig. Da sich ja Gesamtdeutschland nun einmal dem Bologna-Prozess angeschlossen hat (mag man über diesen denken, wie man möchte), erschein es durchaus sinnvoll, wenn sich die Sachsen über deren Einführung soweit Gedanken machen, dass dies in das bestehende Gesetz eingearbeitet wird. Auch dass man der Kultusministerkonferenz mehr Beachtung schenkt, scheint mit dem Wunsch nach einheitlichen Bildungsstandards einherzugehen. Und dass die Rektorate Studiengänge genehmigen dürfen, grenzt doch schon fast an ein Wunder der Freiheit und Selbstverantwortung für Universitäten. Was haben also die Studierendenvertreter hieran wieder auszusetzen? - Nun man sollte wieder auf die Details achten. Was nutzt eine Ergänzung im Sinne von Bachelor/Master, wenn sich die Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistung nicht ändert? Wo bleibt da der Grundgedanke von Bologna? Es war doch nicht angedacht, die bestehenden Studiensysteme zu zerstören, und diese durch neue Titel und veränderte Studiendauern zu ersetzen - nein, der Gedanke war doch, ein gesamteuropäischen Bildungsraum zu schaffen. Und in einem gemeinsamen Raum, so ist zumindest mein Verständnis, sollte man sich doch auch frei bewegen können oder? Wozu also dann das Ganze? Zur Kultusministerkonferenz: Der Gesetzesentwurf sieht vor, Beschlüsse der Kultusministerkonferenz als unmittelbares Landesrecht in Sachsen gelten zu lassen. Das Problem daran ist, dass diese Beschlüsse der KMK im Zweifel in allen rund 2000 in Sachsen geltenden Studiendokumenten umgehend umgesetzt werden müssten. Weiterhin unklar ist, wann ein Beschluss rechtsverbindlich wird und wann sich ein Student auf diesen berufen kann. Und warum bestehen dann die Landespolitiker unbedingt darauf, dass der Bund (also ein gesamtdeutsches Gremium) nicht in die Bildung in den Ländern eingreifen darf? Warum werden dann Verhandlungen über Kompetenzen vor dem Bundesverfassungsgericht geführt? Säße ich jetzt an einem Stammtisch und nicht vor einem Computer, würden mir nun wohl die Worte: "Das sind alles unsere Setuern" über die Lippen kommen. Aber vielleicht geschieht ja das Wunder und die geistigen Ergüsse vieler Minister in einem Gremium sind sehr viel besser als die Gesetze, die diese Ressorts in den letzten Jahren hervorgebracht haben (ich denke da an Hochschulgesetze in Hessen, Niedersachsen oder Bayern). Und nun eines der Lieblingsthemen der Hochschulpolitik: Freiheit an den Hochschulen. Juhu! Unbedingt. Super, das muss ja funktionieren, sind ja alles schlaue Leute an so einer Uni, oder? So sollte es schon sein, nur kam der Sächsische Landtag in einer kleinen Anfrage zum Schluss, dass die Gremien an den Universitäten nicht den Qualitätsanspruch an Studienordnungen erfüllen können, den es benötigen würde, um die Kompetenzen auf die Universitäten zu übertragen. Und ehrlicherweise kann man es den Leuten in den Gremien vielleicht gar nicht übel nehmen. EinE ProfessorIn, der/die angestellt ist, um im betreffenden Fachgebiet Forschung und Lehre zu betreiben, muss ja auch nicht die Kompetenzen haben, eine wasserdichte (im Sinne von Lücken bezüglich von Gesetzen etc.) Studienordnung zu entwerfen. Und die daran mitarbeitenden Studierenden, an denen es momentan großflächig mangelt, woher sollten sie denn diese Kompetenz haben? Und warum sollten denn Studierende überhaupt an so etwas mitarbeiten und vielleicht mit guten Ideen zu einem Super-Studiengang beitragen, der sowohl der Universität als auch dem zukünftigen Studierenden und der Wirtschaft und Gesellschaft nutzt? Wird den Studierenden doch momentan immer vorgehalten, man sei nur Konsument von Bildung. Stellt sich denn ein Kunde bei Colgate hin und sagt: "Also die Erdbeerzahnpasta ohne Zucker für Kinder sollte vielleicht etwas weniger nach dem Süßungsmittel aus der Cola schmecken, dann würden es mehr Kinder gerne nehmen, ihre Zähne putzen, ..." und so weiter? (ich bin durchaus in Versuchung regelmäßiges Zähneputzen auf eine Milliardenentlastung des Gesundheitssystems hochzurechnen, aber das vielleicht später) Na sicherlich nicht. Was ich damit sagen möchte: bitte liebe Leute, versucht doch nicht auf der einen Seite, den Uniangehörigen eine Freiheit vorzugaukeln, und zwingt sie dann (Lehrende und Lernende), sich in ihr Fachgebiet (Leistungsmessung bei Forschung und Lehre, Stellenstreichungen, Druck auf Studierende durch das Damoklesschwert der Gebühren) zu verkriechen. Wer soll die mit dieser Freiheit verbundenen Pflichten denn dann wahrnehmen? Ein Super-Rektor, der als Diktator seine kleine freie Hochschule lenken und leiten darf, wie er möchte? Und in der Schule lernen wir, wie gut und fruchtbar Demokratie in allen Bereichen des Lebens ist. Also liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Komillitoninnen und Komillitonen, bleibt wachsam und interessiert, es lohnt sich nicht, sich in seinen Schildkrötenpanzer zurückzuziehen. Als gutes Beispiel kann man ja vielleicht auch einmal nicht in die USA, sondern vielleicht nach Finnland schauen, die ja wohl spätestens seit Pisa ein hochgelobtes Bildungssystem haben, bei dem jeder Schüler und Student eine elternunabhängige Ausbildungsbeihilfe erhält und wo jeder, der über Studiengebühren laut nachdenkt, solange mit den Eisbären spielen muss, bis er der Meinung ist, dass auch diese einen freien Zugang zur Hochschule verdienen. Über fruchtbare Kommentare zum Meinungsaustausch würden wir uns freuen. Auch Gegenmeinungen sind willkommen! hopo@stura.tu-chemnitz.deSteffen Riediger

Posted in Referat Hochschulpolitik, Startseite on Apr 02, 2011